Dienstag, 20. Mai 2014

Lebensweisheiten

Ich muss mich an dieser Stelle als leidenschaftliches Fangirl outen. Ja, der One Direction-Fandom hat mich fest eingeschlossen. So manche Nacht hab ich mir um die Ohren geschlagen mit ihren Konzertvideos und Interviews, lasst mich gar nicht erst von ihnen anfangen. Mein Herz war voller Hoffnung, als ich meine Reise nach Australien angetreten habe, sie Ende des Jahres hier im Zuge ihrer Stadium-Tour 'Where We Are' in Perth endlich live sehen zu können. Sehnsüchtig habe ich auf die Veröffentlichung der Konzertdaten gewartet, jede einzelne Information gierig aufgesaugt, die mir einen neuen Hinweis auf die Daten geben könnte. Vor ein paar Tagen also habe ich morgens eine E-Mail von TicketEk in meinem Postfach vorfinden müssen mit dem Betreff 'One Direction are coming to Australia!'. Nachdem ich mich vom temporären Herzinfarkt erholt hatte, warf ich einen Blick auf die Daten. Und nun dürft ihr dreimal raten, in welchem Monat sie denn kommen. 

FEBRUAR.

Ist das ein Scherz? Das ist bestimmt n' später Aprilscherz. Naah, TicketEk wollen mir bestimmt nur Angst einjagen. Das darf nicht wahr sein. Nochmal gecheckt, nein, es stimmt wirklich. Ich kann es noch immer nicht fassen. Sie besuchen alle Großstädte rund um Australien, Perth inbegriffen. Und ich muss Australien einen Monat vorher verlassen, ein paar Tage trennen mich nur vom Start der Down Under-Tour. Sofort haben sich jegliche Szenarien in meinem Kopf abgespielt. Ich könnte Schule schwänzen, absichtlich meinen Flug nach Deutschland verpassen und unter einer Brücke leben. Oder ich besorg' mir One Direction's Telefonnummer (ich hab da Kontakte ;)) und überrede sie zu einem Privatkonzert als spätes 16tes Geburtstagsgeschenk für mich. Hach, die machen das doch bestimmt! Vielleicht erlaubt mir meine deutsche Schule ja, zwei Wochen nach Halbjahresbeginn einzusteigen, wenn ich ihnen einen herzzerreißenden Brief schicke. Eine australische Freundin, auch Directioner und sehr bemitleidend und mitfühlend mit meinem Schicksal, hat mir heute sogar angeboten, mich die zwei Wochen bis zum Konzert bei sich aufzunehmen. Aber nein, mehr als ein Traum wird daraus höchstwahrscheinlich auf keinen Fall… Da muss ich wohl leider auf das nächste Konzert in Europa warten. *seufz* 

Und damit ein herzliches Hallo aus Australien! 
Weltbester Oreo Milchshake vom Lieblings Coffeeshop
Die kleine Einleitung war ein bisschen off-topic, aber letztlich berichte ich nun hier über mein Leben hier und das ist nunmal mein Leben. 
Wir schreiben Dienstag, den 20. Mai 2014, … warte, 20. Mai? MAI?! Wo ist die Zeit geblieben?! War nicht vorhin noch März? Bin ich nicht letzte Woche erst angekommen? Wir sind schon fast im zweiten Semester?! Bin ich mir sicher, dass meine Uhr auch richtig funktioniert!? 
- ja, das sind so meine Gedanken, sobald ich hier irgendwo das Datum sehe. Im Juli ist schon Halbzeit. Wahnsinn. Das merk ich nie, ich leb hier so vor mich hin, und die Monate plätschern nur so an mir vorbei. 
Ich hab grad nen Blick nach draußen geworfen, und es ist hier wohl irgendwo ein wahnsinns Sonnenuntergang, weil die Wolken lila sind. Und wir sind noch wach! 

Ich fühl' mich heute schreiblustig, ich hab das Gefühl, dieser Post wird sehr sarkastisch und mit Insidern bestückt. However. Wir bleiben mal beim Thema. 

In Australien ist nun Winter eingekehrt, und ich bin verwirrt wie sonst was. Am Morgen grau, dunkel, eiskalt und regnerisch bewölkt, gegen Mittag 30 Grad und sommerliche Trockenheit, am Nachmittag schüttet es wie aus Eimern und der Tag endet in einem frischen, aber nicht zu kaltem deutschem Mittsommerabend. Klingt ja eigentlich gut, vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag, mein Problem bei der Sache: 
was soll ich anziehen!? 
Der Regen und ich haben sowieso eine Hass-Liebe-Beziehung. Letzte Woche erst wurde ich sieben Mal, ich wiederhole, s i e b e n Mal in ZWEI TAGEN vom Regen überrascht, und das meine ich wörtlich, ich habe meine Lektion gelernt, und ich sag euch, meine Lieben, wenn ihr in Australien einen Regentropfen abkriegt, rennt um euer Leben. 
Denn noch bevor ihr den Regenschirm überhaupt aufspannen könnt, seid ihr triefend nass. Ich spreche aus Erfahrung. Und so kam es, dass ich letzten Mittwoch wie ein begossener Pudel nach einem 15 minütigen Regenspaziergang zuhause angekommen bin. 

Perth Innenstadt
Term 2 hat vor zwei Wochen begonnen. Für alle uninformierten unter euch, in Australien hat das Schuljahr zwei Semester (wie Halbjahre in Deutschland), und jedes Semester hat 4 Terms, also das Schuljahr ist in Viertel aufgeteilt und beginnt im Januar (endet Dezember). In Englisch haben wir unseren In-class Essay über Iron Man geschrieben (ja, die erste Arbeit für mich hier, die wirklich mal in der Klasse geschrieben wird, unglaublich, nicht wahr?), (und ja, ihr habt richtig gelesen, es war eine Analyse, wie unterhaltsam Iron Man, der Blockbuster Film, ist. Keine unendlichen Dialoganalysen vom Schimmelreiter oder Personifikationen, Wort für Wort auseinanderzulegende altdeutsche Dialoge, oh, die meisten von euch wissen zu gut, was ich damit meine.) 
In Childcare haben wir eine Broschüre über Armut zusammengestellt, die benotet wurde (ich hab 17/20 Punkten), und jetzt sticken wir eine Decke für Babys. Ich lebe darin so richtig meine Rolle als Deutsche aus und habe mir als Motiv nichts anderes als ein Känguru ausgesucht. Stereotyp Austauschschüler erfolgreich erfüllt! 
In Drama haben wir bereits unsere Performance von einer Szene eines absurden Theaterstücks namens Ruby Moon vor der Klasse vorgeführt. Das Stück handelt von einem Paar, dessen Tochter angeblich verschwunden ist und nun gehen sie rum und befragen die Nachbarn, aber jeder hätte ein Motiv und am Ende weiß man gar nicht, ob es überhaupt jemals eine Tochter gegeben hatte. Ich war die Hauptrolle der von uns ausgesuchten Szene, eine verrückte, selbsthassende, puppenfanatische Babysitterin, und hab auch nur einen Textpatzer gehabt, den ich aber hoffentlich gut überspielt hab, indem ich einfach auf der Bühne bisschen improvisiert umhergelaufen bin, bis ich mich wieder gefangen hatte, ist anscheinend keinem aufgefallen. 

Vergangenen Muttertag habe ich meiner Gastmutter eine Rose gezeichnet und wir haben Bacon&Egg zum Frühstück gegessen und waren dann für n Coffee am Strand. Und letzten Freitag habe ich mit ihr zusammen in der Stadt das Ballett 'Giselle' geschaut, was wunderschön gewesen ist. Ich fühle mich in meiner Gastfamilie echt mehr als wohl und bin total froh, hier sein zu dürfen. 

Meine letzten Wochenenden bestanden zum großen Teil aus geplatzten Verabredungen mit Freunden, und das Resultat war in den meisten Fällen shoppen (welch ein Wunder, was hättet ihr bei mir auch anderes erwartet ;)) oder mit meiner Gastfamilie etwas unternehmen. 
Aber in letzter Zeit häufen sich diese Momente, in denen man sich bewusst wird, wie sehr man sich schon integriert hat, und dass man eben nicht alleine ist.
Zum Beispiel wenn beim Ballet einen plötzlich auf einmal alle umarmen und meinen, sie wären jetzt meine Familie. 
Wenn in der Schule Freunde dir sagen, dass du nicht gehen sollst, dass du jetzt eine von ihnen seist und das total komisch wird, wenn du nicht mehr da bist. 
Ich fühl mich auch jedes Mal total einheimisch, wenn ich öffentliche Verkehrsmittel nutze und die ganzen Strecken und Bushaltestellen hier im Umkreis kenne. 

Achja, meine neue Obsession: Dance Moms! 
Kurz vor 'Giselle' im His Majesty Perth Theatre
Eine amerikanische Serie, die ein paar 6-10 Jährige Profitänzer mit ihrer strengen, dramatischen, übergewichtigen Tanzlehrerin und ihren Beverly-Hills-ähnlichen Luxus-Drama-Mum's in ihrem Leben als Tänzer und zu Competitions begleitet. Herrlich! 

Habt ihr schon jemals überlegt, warum bestimmte Menschen in unser Leben treten, oder es verlassen? Warum Dinge so passieren, wie sie passieren? 
Mein Childcare Känguru
Jetzt denkt ihr euch bestimmt, was labert die denn jetzt, und ich muss zugeben, dieser Blogpost hat recht wenig mit Australien zutun, aber ich glaube daran, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Menschen kommen in unser Leben, sie sind entweder eine Lektion, eine Hilfe oder ein Geschenk. Wir verpassen den Zug, um im nächsten Zug die Liebe unseres Lebens kennen zu lernen. Unser Auto springt nicht an, um uns nicht in den bald passierenden Unfall auf der Autobahn zu verwickeln. Wir haben Gegenwind beim Fahrradfahren, um noch fiter zu werden. You get the idea. Ihr könnt es meinetwegen eine leichtsinnige Taktik nennen, Stress zu reduzieren, aber ich glaub daran. Und gestern auf dem Heimweg von der Train Station, während ich so durch die stille und dunkle Nachbarschaft lief, gedankenversunken in den Himmel aufgeschaut hab, habe ich eine Sternschnuppe gesehen. Und zwar eine lange, wunderschöne. Vor Freude und Überwältigung kamen mir glatt die Tränen. Diese Sternschnuppe war für mich nicht nur einfach eine Sternschnuppe, ich hab das mehr als Zeichen von Hoffnung und Glück angesehen und hab mir natürlich auch etwas gewünscht. ;) 
Regenbogen auf'm Heimweg von der Bushaltestelle

Soviel zum philosophischen und tiefgründigen Part dieses Blogposts, hätten wir das auch abgehakt. 

Das wars für heute, ich glaube, ich hab jetzt genug gelabert und hoffe, ihr genießt jetzt alle das deutsche sommerliche Frühsommerwetter anstatt vorm Computer zu hängen und euch Berichte aus dem Leben anderer Leute durchzulesen anstatt euer eigenes Abenteuer zu leben. Geht raus und macht etwas, was ihr schon immer machen wolltet. Ich gönn euch das bisschen Sonne ausnahmsweise haha ;) 
Grüße aus down under, Anna 







Sonntag, 4. Mai 2014

100 Tage Australien!

Hey ihr Lieben,

ich lebe auch noch, ja :D Es ist gerade Sonntagabend und ich hab gerade bemerkt, dass ich vor zwei Tagen die 100-Tage-Grenze geknackt hab! Schon ganze 100 Tage bin ich hier und da ist es Zeit für ein Fazit, abgesehen davon dass ein Blogeintrag sowieso schon wieder überfällig ist. Die letzten zwei Wochen sind so dahin geflossen. 
2 Wochen in Bildern

Also, 100 Tage bin ich jetzt schon in Australien. 
Die Zeit vergeht eigentlich total schnell, wenn ich bedenke, dass schon Mai ist. Mit meiner Gastfamilie komme ich sehr gut aus, meine Gastmutter beschreibt mich wie ihre kleine Schwester, und meine kleine Gastschwester ist wie eine Schwester für mich. Sie kommt manchmal einfach mit ihrer kleinen Couch in mein Zimmer und setzt sich hier hin und spielt, weil sie meine Gesellschaft genießt. Oder wenn wir abends auf dem Sofa kuscheln und fernsehen, bevor sie ins Bett muss. 
Mit der Schule bin ich auch ganz zufrieden. Auch, wenn die Themen langweilig und leicht sind und ich eher unterfordert als gefordert werde, ich konzentriere mich eh aufs Freundschaften schließen. Ich hab auf jeden Fall ein dickes Fell bekommen was das Alleine auskommen angeht. Ich hab viele Kontakte, mit denen ich reden könnte, aber nicht diese festen Freunde, mit denen man sich jedes Wochenende trifft oder die einen zu allem einladen. Und wenn ich meinen Mut zusammennehme und auf Leute zugehe und sie frag, ob sie mit mir ins Kino gehen wollen, müssen alle plötzlich arbeiten oder babysitten oder Hausaufgaben aufholen oder der Freund der Schwiegernichte hat Geburtstag oder whatever, das ist ganz schön anstrengend, dann nicht den Mut zu verlieren und wieder aufzustehen und nach vorne zu schauen. Aber dafür bin ich ja hergekommen, nicht wahr? ;) 
Was mich außerordentlich glücklich macht, ist was ich außerhalb der Schule so mache. Damit meine ich Tanzen, Ballett & Contemporary und Singen & Gitarre. Ich habe das Gefühl, endlich etwas zu machen, was mich definiert und füllt und glücklich macht. 
Vermisse ich Deutschland? Ja, klar. Dazu muss ich sagen, ich bin nach Australien gekommen als quasi "Deutschland-Hasser". Nicht so extrem, aber ich wollte nach der Schule sofort auswandern, hab die Schule nicht gemocht, das Wetter, die Städte, die Mentalität der Menschen, einfach irgendwie alles, ich hab mich nicht mit Deutschland identifizieren können. Aber jetzt, mit jedem Tag, den ich in Australien war, habe ich Deutschland mehr lieben gelernt. Nicht, weil es mir hier irgendwie scheiße geht oder so, versteht mich nicht falsch. Aber man merkt, was man hat. 
Und natürlich vermisse ich meine Familie und Freunde. Und mein Bett. Und meine Katzen. Und all das spezielle hausgekochte Essen von Omi, was keiner auf dieser Welt nachmachen kann. Und die Sleepover mit meinen engsten Freunden, und die sarkastischen Blicke, und das regnerische kalte Wetter, die Pfützen auf den Straßen, den Schnee (wenn wir denn mal welchen haben). Aber es ist nicht die Art von vermissen, bei der ich hier heulend sitze und unglücklich bin, denn mir gehts hier ja super gut, ich kann mich echt nicht beklagen. 
Aber es ist mehr so ein Gefühl, als würde die eine Hälfte meines Herzens in Deutschland geblieben sein, und jeden Morgen wache ich auf, gehe zur Schule, lebe mein Leben, aber irgendwas fehlt immer. Ein Part von mir. Und nächstes Jahr komme ich wieder zurück und kann alles wieder in die Arme schließen, was ich vermisst habe, dann habe ich diesen Part von mir wieder.
Nur mittlerweile befürchte ich, dass mein Herz auch dann nicht ganz ist.
Denn dann ist der andere Part in Australien geblieben. 
Scarborough Beach in the morning <3 


Aber so ist das Austauschschülerleben nunmal ;) Ach, nicht nur das von Austauschschülern, von jedem, der reist und sich in Orte und Momente verliebt. 
Ich hab eine lange Liste mit Plänen für dieses Jahr und auch für Deutschland, worauf ich mich sehr freue. 
Ich bin vollkommen zufrieden mit der Art, wie die Dinge im Moment laufen. Die Zeit vergeht genau im richtigen Tempo. Schnell genug, um nicht zu verzweifeln, aber auch langsam genug, um Australien zu genießen. Ich verschwende hier keine Zeit.

Tut mir riesig Leid, falls ihr schon vor fünf Millionen Jahren mal irgendwas kommentiert habt oder mich gefragt habt, ob ich euch verlinken kann. Ich bin sehr beschäftigt und überwiegend außer Haus, ich lese alles, aber finde keine Zeit, zu antworten oder vergesse es. Tut mir wirklich Leid, ich nehme mir alles zu Herzen, was ihr schreibt, aber ich bin auch nur ein Mensch und entweder hänge ich 24/7 vorm PC oder geh raus und entdecke etwas neues, nehmt es mir nicht übel. <3 

Das wars für heute, ich hab eisige Finger und Füße, unser Haus hat wie die meisten hier keine Heizung weil die Elektrizät zu teuer ist sodass ich jetzt immer unter meiner Bettdecke hocke damit mir nicht allzu kalt ist. Denn fuck man es ist wirklich kalt hier im Winter!! Ich sollte ja eigentlich zu meiner deutschen Mentalität stehen haha aber ich bin lieber ne Frostbeule ;) 
Grüße, Anna