Montag, 19. September 2016

- Umbruchstimmung -

- warum ich so sein darf, wie ich bin -

23:50 Uhr.
Sagt mein Laptop.
Mir fällt gerade auf, ich habe schon lange keinen Wecker mehr.
Einmal hatte ich einen, bis die Batterie leer war.
Dann hatte ich einen anderen, der aus magischer Hand aufhörte, zu funktionieren.
Als wollte das Universum, dass Zeit in meinem Schlafzimmer vergessen werden soll.
Die Blätter der Bäume ringsherum kann ich im Wind rauschen hören.
Es ist ein beruhigendes Rauschen, das mich hoffentlich bald in den Schlaf wiegt.
Manchmal denke ich, dass ich das Leben zu poetisch nehme.
Alles wird zu einer Metapher. Alles hat einen höheren Sinn. Alles ist wunderschön, tragisch oder magisch. Meine Eltern meinen ab und zu, dass ich mich in meiner Traumwelt verliere.
Aber vielleicht ist das ja unterbewusst meine Absicht.

Nun ist also... jetzt, also vor ein paar Wochen, hat mein neues Schuljahr begonnen, zweites Mal elfte Klasse.
Erstes Mal war nix'.
Momentanes Gefühl: Umbruchstimmung.
Ich habe sanft und zielstrebig an mir gearbeitet, und das soll sich jetzt bezahlt machen.
Diesmal will ich  nicht voll Angst und Scham auf den Tag warten, andem die mündlichen Noten vorgelesen werden, um dann an dem Tag krank zu werden.
Bis jetzt klappt das auch stetig gut.
Ich nenne das mal ganz international "Adulting 101":
Vom melancholischen Teenager zum... nicht so melancholischen Teenager.
Nein, aber mal im Ernst, man sollte das Älter werden und so nicht überbewerten.
Aber auch nicht unterbewerten. Balance, so hat sich herausgestellt, ist schwierig zu erreichen, und noch etwas schwieriger, zu halten.
Oft weiß auch nicht, was ich von allem halten soll.
Am liebsten würde ich mich in mein Häuschen verkriechen, meine Liedchen summen und den Regen malen.
Aber wie soll man ohne eine Meinung überleben.
Was nicht standhaft ist, geht unter.
Erwachsenwerden fordert.
Und etwas zu schaffen, so richtig anzupacken mit Ehrgeiz und Motivation und dann auch dabei bleiben, das fordert.
Ich also komplett Google nach inspirierenden Sprüchen abgegrast und sie allesamt in mein Hausaufgabenheft kopiert, meine Mappen neu angelegt (so richtig mit Glossar) (ich hefte jetzt auch tatsächlich Blätter ein) (jahaaa da könnt ihr mal sehen!).
Schule kann mich nicht mehr kicken. Ich kicke jetzt zurück!
Die Lehrer sollen meinen Namen nicht nur kennen.
Sie sollen ihn fürchten.
Sie sollen ihn im Schlaf winseln!
Mwuhaha!
 
Ich denke in letzter Zeit oft darüber nach, warum ich einen so starken Druck verspüre, mich zu perfektionieren. Äußerlich mehr als innerlich.
Gekommen bin ich auf die These, dass Instagram mein Gehirn wäscht. So kommerzielle-Manipulation-mäßig.
Es geht mir nämlich ordentlich auf den Sack, dass ich beim in den Spiegel schauen so viel zu meckern habe. Da ist so eine Falte unter'm Arsch. Und Schwabbel an den Oberschenkeln. Und meine Arme sind so breit wie mein Bein, wenn ich sie anwinkel #übertreib
aber im Ernst, ist das nicht traurig, wie sehr einen bestimmte Medien beeinflussen?
Ich habe nie an mir gezweifelt, so als verspieltes, kreatives, unschuldiges Dorfkind.
Und an meinem Kopf zweifle ich mittlerweile auch nicht mehr.
Jetzt ist mein Körper dran.
Devise: Selbstliebe!
Heutzutage sind allerdings Dämonen in den Augen unter uns Teenagern anscheinend schöner als Selbstbewusstsein.
Wisst ihr was, schwarz-weiß-Instagram-Accounts? IST MIR EGAL!
Ihr könnt ja euer Glück finden, wann ihr wollt.
Ich lass mich durch euere Misere nicht länger beeinflussen.

Eine weitere Erkenntnis, die sich mir ergeben hat:
Schule hat einen großen Entertainment-Faktor, abgesehen vom Unterricht!
Also die Menschen, die amüsieren mich alle so unbeschreiblich sehr.
In meinem Kopf entpuppen sich die Charaktere Stunde für Stunde. Ich würde euch zu gerne mit Beispielen beglücken, allerdings ist das Risiko, dass gewisse Menschen meinen Blog doch noch einmal zu Gesicht bekommen, nicht gerade gering.
Es ist ja auch nichts negatives, ganz und gar nicht; ich finde es nur wahnsinnig interssant, Menschen zu studieren. Ihr Verhalten - wo gucken sie hin? Wie lange lächeln sie und was sagt mir das? Haben sie Klavierhände? Oder warum tragen sie nur Hemden?

Während dieser Part meines Gehirnes sich in eine wachsende Personenkartei verwandelt, bildet sich die andere zum laufenden Terminplaner mit eingebauten Ablaufdaten.
Stress kann mir leicht die Blutbahn verklumpen, mir die Kreativitätsquelle verklumpen.
Er ist ein Monster und ich muss mit ihm wohnen, in einem Körper, in meinem Körper.
Da mach' ich's mir am besten schön gemütlich. Hol' paar Kerzen raus, mach' bisschen Musik an, damit der Stress und ich gut miteinander aus kommen.
Im Moment balanciere ich auf einem Bein Schule, Hausaufgaben, Sport, Fahrschule, Kochen, Körperpflege, Eltern, Freund, Wohnung und bekomme immernoch jeden Tag mindestens siebeneinhalb Stunden Schlaf.
Mein sechzehn Jahre altes Ich hätte mich mit offenem Mund angestarrt und geglaubt, ich sei nicht von dieser Welt. Das Unmögliche ist tatsächlich möglich, wenn man es an einigen Tagen unmöglich lässt.
Heißt: es ist okay, mal nicht auf dem richtigen Dampfer zu sein.
Einfach Boot nehmen, weg tuckeln, und die Fahrt zum richtigen Dampfer so richtig genießen.
Den hohen Wert des Es Sich Gut Gehen Lassens unterschätzen viele Menschen, so habe ich das Gefühl.
An manchen Tagen lache ich eben selten. Kann auch mal passieren. Tränen sind okay.
Missmut ist okay.
Zweifel sind okay.
Solange man weiterkriecht, weiterstampft, weiterklettert.
Ich wünschte, ich könnte das jedem einzelnen Schüler nahelegen.
Man hört nämlich schon jetzt von über drei Ecken, ja, die oder derjenige kann dem Stress nicht standhalten. Man klagt über Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit, aber es gibt niemanden, der hilft, der den Weg weist.
Und genau da fehlt unserem Schulsystem etwas. Ein Koordinator für jede Jahresstufe, der coacht,oder Klassenlehrer, der sich die Sorgen der Schüler anhört, und ich meine wirklich anhört, sie ernst nimmt.
So sind wir uns allein überlassen. Und müssen eben erwachsen werden.
Wir müssen alle wachsen.

 Ich düse jetzt in die Küche und koche mir irgendein Grünzeug.
Also damit, ein recht biologisch angebautes Adios!

Freitag, 1. Juli 2016

Frühjahrsputz

Es ist gleich Mitternacht, das heißt, noch einmal schlafen und dann bekämpfen mein Freund und ich die 600 km lange Strecke von Kopenhagen nach Hause, bewaffnet mit Zelt, Campingkocher und GoPro.
Das norddeutsche, touristenfreundliche Wetter wird uns voraussichtlich mit sanftem, lieb gemeintem, aber trotzdem Mascara-verwischendem Regen segnen, sodass ich uns momentan vor meinem inneren Auge weniger als zwei ausgelassene, lachende Menschen auf locker leicht fahrenden Rädern sehe, sondern eher als zwei gelbe, triefend nasse gelbe Müllsäcke mit einem Loch für die zusammengekniffenen Augen, die einen schwer gepackten Haufen bedeckt mit einer ebenfalls triefen nassen Plane durch die Gegend ziehen, angestrengt keuchend und den Himmel verfluchend, und bei unserem Glück wahrscheinlich auch noch bergauf. 
Aber noch liege ich in meinem warmen, ruhigen, trockenen Bett in meiner nicht so aufgeräumten Wohnung und genieße die Ruhe vor dem Sturm.
Da dachte ich, kann man sich ja mal wieder melden.
So richtig mit Hallo, wie geht's, und so. 
Ich weiß gar nicht wirklich, wo ich jetzt anfangen könnte.
Es sind jetzt 890 Tage seit meiner A n r e i s e in Australien. 
Holy.
Nochmal zwei Jahre drauf und ich bin wieder da, laut meinen super perfekten Lebensplänen. 
(mein Papa sagt, ich bin naiv. Ich sag, ich bin optimistisch.)
In letzter Zeit verbringe ich viel Zeit damit, aufzuräumen. 
Nicht nur meine Wohnung, die schon viel aushalten musste, sondern auch meinen Kopf.
Im Januar habe ich mir zum ersten Mal wirklich von Herzen gewünscht, glücklich zu werden, und arbeite seither an meinem persönlichen Weltfrieden. 
Mit Schaufel, Spaten, Staubsauger und Besen bin ich am Handwerken, baue neue Räume für gute Gedanken und reiße andere Räume, in denen schlechte hausten, in Grund und Boden. 
Zumindest versuche ich es kontinuierlich und mit allen Kräften.
Lange stand ich vorher in Konflikt mit meinem Konflikt. 
2015 war ein sehr anstrengendes Jahr, in dem viel an mir und in mir leider vergessen hat, dass es etwas wert ist und dass es verdient, gut behandelt zu werden.
Ich bin nicht mehr schüchtern, zuzugeben, dass es mir nicht gut ging. Und ich möchte offen darüber sein, denn zu oft ist es mir begegnet, dass über so etwas nicht geredet wird, dass die Unzufriedenheit der Seele herabgesetzt wird, unter den Tisch geschoben, ignoriert, verstummt. 
Das kann man doch nicht so erzählen. 
Und wenn das jemand liest.
Ja, aber das geht doch nicht, das sollte man sich doch überlegen.
Und das ist doch aber schrecklich.
Ja, manchmal fühlt man sich schrecklich. 
Ja, manchmal ist die Welt, in der man stecken geblieben ist, schwarz und hässlich. 
Und folgendes kann ich nicht sagen, weil das eines dieser Wahrheiten ist, die alle immer meinen, predigen zu müssen, sondern weil das hier meine eigene Wahrheit ist; nichts ist für immer.
Leben heißt Wandel für mich. 
Veränderung, wie die Jahreszeiten wachsen und sterben, um wieder neu zu wachsen, anders, aber mit unaufhaltsamer Stärke und Kraft, so wie Wasser immer fließen wird, und nach Jahrzehnten, gar Jahrhunderten Gestein weicher und flacher schleift als jede Maschine es binnen Sekunden könne, so bin ich zu meinem nie vollendeten Projekt geworden.
Ich möchte lernen, zu reflektieren: lernen, friedlich zu sein gegenüber mir, meinen Gefühlen und denen, die mir die Welt vor die Füße wirft oder in die Hand legt. 
Diese Erkenntnis habe ich gewonnen, als ich einen Teil von mir verloren habe, letztes Jahr, zwischen schlaflosen Nächten und - ich wollte schreiben, nass geweinten Kissen, aber es gab keine nass geweinten Kissen, weil ich nicht weinen konnte - und so wurden die Tränen zu scharfen Glasperlen und haben sich wie eine Made von innen durch meinen Optimismus gefressen, und das Loch, was sie hinterließen, schluckte jegliche Positivät, Hoffnung, jeglichen Glaube an mich und schlussendlich mein Bewusstsein und meine Verantwortung für mein Leben. 
Das kann ich jetzt sagen, damals hab ich mich verzweifelt gesucht und dabei alles durcheinander gebracht. 
Das klingt jetzt alles so poetisch, eigentlich bin ich überhaupt kein Fan davon, Depressionen so zu romantisieren. Aber es ist so, dass dieser Weg der einzige ist, es überhaupt zu beschreiben. 
Es.
Was ist das?
Wer weiß das schon?
Eine dieser Kulturepidemien, die man heutzutage hat, so wie Laktoseintoleranz und Burnout? *Achtung Sarkasmus*
Darf ich mich überhaupt ernst nehmen? - war eine Frage, die ich mir oft gestellt habe, nachdem ich die dritte volle Stunde aus dem Fenster gestarrt hatte und mein Mut, weiterzumachen, mit mir verstecken gespielt hatte.
(Ich war noch nie gut im Suchen).
Was ist das auch, wenn man sich mit letzten Kräften im Deutschunterricht zusammenreißen kann, um, sobald meine Haustür ins Schloss fällt, in betörendsten Disharmonien zu weinen und zu schreien beginnt - ich konnte es nicht verstehen. 
Meine Eltern wollten es aber erklärt bekommen. 
Mein Freund wollte mir aber heraushelfen. 
(Meine Schule wollte es gerne ignorieren).
Meine Therapeutin ausführlich besprechen. 
Aber ich konnte es einfach nicht verstehen, und von allem war das das Beängstigendste. 
Ich möchte jetzt offen über das reden, was ich über das denke, was ich tue, und was andere tun, und was wir vielleicht alle anstelle dessen tun sollten. 
Hallo, ich bin ein Mensch auf dieser Erde, und ich denke nach. 
Ich bin lebendig, und ich möchte das Beste daraus machen, jeden Tag, jede Stunde. 
Dieses Jahr habe ich lange gebraucht, um den Staub von meiner Lunge zu wedeln, aber jetzt ist er weg und ich kann wieder atmen! 
Das verdient schonmal ein Ausrufezeichen. 
Am Ende wird alles gut, nicht wahr?
Warum nicht einfach mal dran glauben. 

Ich habe übrigens wieder eine Hausfliege.
Meine erste Hausfliege wohnte vor einem halben Jahr für eine Woche bei mir. 
Ich nannte sie Hugo. 
Er saß im Bad, wenn ich geduscht hab, krabbelte freudig auf meiner Hose, wenn ich durch Youtube stöberte, und schlief an der Wand meines Schlafzimmers. 
Bis eines dunklen, regnerischen Sonntagabends (lasst es mal regnen um der Dramatik Willen), ich war in Eile, klappte gedankenverloren den Laptop zu und fiel todmüde ins Bett, bis ich am darauffolgenden Abend aus meinen Gedanken gerissen, in Schock versetzt wurde und in bittere Tränen brach, als ich den Bildschirm wieder aufklappte und das, was mal mein treuer Gefährte Hugo war, am Screen klebte. No joke, ich hab wirklich für gute zehn Minuten geweint. Mein Herz hat noch immer einen kleinen Riss, da wo Hugo's Platz gewesen ist... 
Eine Beerdigung im Beet gab es auch. 
Es war sehr dramatisch. 
Ruhe in Frieden, Hugo...
Wie dem auch sei, nun lebt Hugo der Zweite seit drei Tagen bei mir, und ich muss sagen, wir freunden uns schnell an! Er ist auch sehr besucherfreundlich und überhaupt nicht aggressiv, sehr stubenrein. Bin sehr zufrieden mit ihm. 
(Ja, ist vielleicht gar nicht so schlecht, das mit der Therapie ;)) 

Abgesehen von Hausfliegen habe ich noch einige andere Vorlieben entwickelt, die mir bei meinem emotionalen und mentalen Frühjahrsputz behilflich sind. 
Da wären zum einen meine Pflanzenfamilie, die monatlich glücklichen Zuwachs und viel zu viel Wasser bekommt, und gehütet wird wie mein Herz und meine Seele. 
Die drei Orchideen auf meiner Fensterbank müssen täglich vor bedrohlichen Gefahren beschützt werden und ich freue mich wie eine Mama über ihr Neugeborenes über ihr wöchentliches Bad in der Spüle. 
(Hugo der Zweite flog gerade an meinem Kopf entlang und wollte Hallo sagen) 
Dann wäre da mein radikaler Umstieg auf eine vegane Ernährung und der Vorfall, als ich meinen wöchentlichen "veganen Karamell Macciato" bestellte, "zum Hier essen" *facepalm*
Außerdem wären da auch noch diese hübschen Lush Badebomben, die so schön ästhetisch auf Instagram aussehen, wobei ich, nachdem ich das Foto gemacht habe, hilflos der Rutschigkeit der Badewanne ausgeliefert bin und mich mit meinen -3 Bauchmuskeln nicht aus der Situation hinaushelfen kann, jämmerlich im Schaum zu ertrinken. 
Aber wenigstens #lushlife. ;) 
Schlussendlich kann ich sagen, dass ich erfolgreich auf dem sicheren Weg zum Öko-Hippie bin, der den ganzen Tag grünen Tee säuft und Chia-Hummus-Brötchen verspeisend in seinen abstrakten Harlem Hosen (ihr wisst schon, diese kitschigen Riesen-Windeln) in Lavendelrauch meditiert. 
Bis dahin hab ich dann auch einen Napf für Hugo den Fünften und Sechsten, sowie ein ganzes Regal voller bunter Orchideen, von denen jede einen Namen trägt. 
Und damit nun ein recht biologisch angebautes und rein pflanzliches Gute Nacht! 





Montag, 25. April 2016

(vielleicht denk' ich auch nur zu viel)

- allgemeine Warnung: dieser Post drückt lediglich meine eigene Meinung und Auffassung aus und muss keinesfalls auf sämtliche Schüler der Bundesrepublik Deutschlands zutreffen!! -




Guten Morgen liebe Schüler, bitte verteilt diesen Text. Wer ihn am schnellsten analysieren, rezensieren und kritisieren kann so wie ich es mag, bekommt eine eins, und der Rest von euch kann ihn zuhause nochmal auskotzen und die darunterstehenden dreizehn Aufgaben zu nächster Stunde erledigen. 
Ist, was in meinem Kopf ankam. Die Zettel wurden herumgereicht. 
Allgemeines Seufzen und Stöhnen. 
Es war ein Gedicht. 
Ich mag Lyrik. 
Konstellationen von Reimen und Wörtern auseinanderfummeln. Ein Wirrwarr aus Metaphern herunterbrennen auf die Grundbausteine. Und vor allem, Lyrik gibt mir etwas zum Fühlen. 
Poesie, die berührt. 
Die bewegt. 
Ein Mensch, irgendwo damals Jahre zuvor, in einer anderen Zeit, zu der es noch keine LED-Lichter gab, hat sich hingesetzt im Scheine seiner bronzefarbenen, dicken Kerze, an der bereits mehrere Wachsschichten herabtropften, und er tunkte seine Feder in die Tinte und schrieb nieder, was ich jetzt lesen kann. Vielleicht hatte er auch eine Schreibmaschine und der Raum war benebelt von Zigarrenrauch - irgend so eine teure, alte, edle Zigarre aus Amerika, als die Menschen gerade entdeckten, dass man handeln kann. Und auch dieser Mensch tippte seine Gedanken nieder. 
Und ich kann sie lesen, weil ich lesen gelernt habe damals mit dem Lesebär Umi in unserem Dorf, und ich frage mich oft, wie die Schule es schafft, so etwas Tolles, wirklich wahrhaftig tolles, schlicht und einfach auszutrocknen. 
Das ist Leben auf unseren Blättern. 
Und wir können die Sätze sezieren wie ein Chirurg - ich hielt mein imaginäres Skalpell, den Kugelschreiber, mit Leichtigkeit. 
Zündschlüssel rumdrehen, Gehirn fängt an, zu laufen, Gedanken fahren hoch. 
Doch weit kam ich nicht. 
Austrocknen...das ist ein gutes Wort. Vor allem für die Schule. 
Wäre jeder Schüler eine Pflanze, würde die Pausenhalle einer Steppenlandschaft gleichen. 
Ist es nicht auch die Aufgabe der Lehrer, zu erkennen, was wir für Pflanzen sind, um uns dementsprechend zu gießen? 
Sprinkleranlagen können zarte Sprossen ertränken. 
Mein Blick wanderte von Stuhl zu Stuhl. 
Ich sah junge Menschen, die müde sind. Denn es heißt, Schlaf oder Szenen-Analyse.
Schlaf oder Vektorenrechnung. 
Und wir machen keins dergleichen. Bleiben wach, wollen leben, wissen aber auch nicht wirklich, wie. Schlafen kann ich, wenn ich alt bin, hab ich mir vor ein paar Jahren immer gesagt. 
Und jetzt ist der aufregendste Moment des Tages, wenn ich schon um 21 Uhr ins Bett fallen kann. 
Wann habe ich aufgehört, mir um Mitternacht Frühlingsrollen in den Ofen zu legen und davorzuhocken wie ein kleines Kind, die Arme um die Knie geschlungen, um gespannt zu beobachten, wie sie brutzeln und braun werden? 
Es fühlt sich an, als hätte ich mich ergeben. 
Die Schule hat mich ausgetrocknet. 
(Oder werde ich bloß erwachsen?)
(Wenn ja, so helft mir!) 
Aber es ist eigentlich schade.
Jeder von uns, jeder Mensch in dieser Schule ist ein Museum aus ungeborenen Ideen.
Und gleichzeitig wurde jedem von uns ein hölzerner Kasten auf den Kopf gesetzt, in den diese Ideen hineingepresst werden sollen.
(Tja, liebe Schule - ich nehme mir jetzt einfach eine Säge..)

Wir sind hier, um zu lernen.
Ja.
Aber was lernen wir?
Wie wir in zehn Minuten eine vierseitige Zusammenfassung reproduzieren können.
Dass das Beißen in den Finger effektiver wach hält als regelmäßiges Fußwippen.
Dass Frau Müller Tobias nicht mag.
Und dass Tobias Leon nicht mag.
Und dass Leon jetzt ausgelacht wird.
Und dass wir nichts sagen.
Und dass Lena so dünn und still geworden ist.
Und dass wir nichts sagen.
Und irgendwann kommen Leon und Lena nicht mehr zur Schule.
Hier laufen Dinge falsch, gewaltig falsch. 
Ich sehe junge Menschen, die Angst haben; Angst davor, laut zu sein und bunt und groß; sie wandeln durch die Gänge in grauen Shirts und zu großen Hosen, Kopf gesenkt, Augen fahl. 
Ich sehe junge Menschen, die sich heimlich hassen, weil ihnen jeder Lehrer sagt, was sie falsch machen und keiner sich daran zu erinnern scheint, dass Noten nur Zahlen sind und Menschen keine Maschinen, die man kategorisiert und bewertet.
Ich sehe junge Menschen mit roten Augen und verwischtem Eyeliner, denn sie haben gerade das vierte Mal auf der Schultoilette weinen müssen, weil ihre Mutter Chefärztin ist, aber nicht sieht, wie krank der Stress ihr eigenes Kind macht.
Ich sehe junge Menschen, die ihre Träume in den Mülleimer werfen zusammen mit den leeren Plastikbehältern von dem labbrigen Salat aus dem Netto um die Ecke.
Ich sehe junge Menschen, die nichts von sich halten, denn warum sollten sie, mit so einem Zeugnis.
Bildung sollte Flügel verleihen und sie nicht etwa abschneiden.
Aber hier wird alles, was zählt, reduziert auf die Anzahl der Meldungen pro Stunde und ob das noch für eine 4- reicht.
Der neumodische Schülerkopf ist nicht das Zuhause für eine neue Generation, die große Projekte baut, die die Welt rettet und die Menschheit aufhebt; der Schülerkopf des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist ein graues Gerüst von Struktur - ein Produktdesign der alten Politiker und heranwachsenden Medien.
Der Schulstoff wird uns nur noch reingeprügelt.
Zweite Woche nach den Sommerferien, und wir haben plötzlich schon die erste Arbeit vor der Nase. Kurzes Schuljahr? Pech gehabt. Müsst ihr eben mehr machen.
Noch schneller.

Ich bin jetzt in der elften Klasse und jeder, mit dem ich über das unbekannte, gruselige, schwarze Loch rede, auch bekannt als Zukunft, der sagt mir: ich will erstmal raus. Was machen. Noch mehr Schule, Studium, das kann ich nicht.
Und dann, als hätten sie es aus weiter Entfernung riechen können, wuseln plötzlich eifrig drei Lehrer heran, um uns über den Ernst des Lebens zu belehren, und wie glücklich wir uns schätzen könnten, jetzt noch solch eine schöne Zeit in der Schule haben zu können.
Und ja klar, so manch ein Beruf ist anstrengender als diese Schule.
Wir machen ja auch eigentlich nichts.
Genau..
Wir machen ja nichts.
Wir werden in Profile und Wahlsysteme gesteckt, belegen Fächer, die uns nicht liegen, nicht interessieren; in diesen Fächern sitzen wir zwei, dreimal die Woche in einem Raum und hören uns Dinge an, die uns nicht bewegen, nicht berühren; es werden uns lange Hausarbeiten auferlegt, die uns wie Steine in der Tasche liegen; nach und nach müssen wir unsere Hobbies aufgeben, um diese Hausarbeiten noch erledigen zu können, obwohl wir sie doch nur liederlich bearbeiten; als nächstes wird unser Spaß gestrichen, denn Schule geht vor. Wir können nicht mehr runterkommen, sind konstant auf dem heißen Draht, lenken uns ab mit stumpfen Handspielen ohne Ziel - bloß nicht denken, bloß nicht anstrengen - denn wofür auch, wir hassen mittlerweile alle unsere Fächer, denn sie sind Schuld, dass wir nicht vorankommen mit dem, was wir eigentlich machen wollen. Und wir könnten uns ja motivieren, aber wofür? Die Lehrer kriegen so oder so ihr Gehalt. Und dann noch die ganze Scheiße fünf Jahre lang an einer Uni mit älteren Professoren und längeren Facharbeiten durchkauen? Um dann den Rest unseres Lebens in ein und demselben Beruf zu stecken, und kleine Schüler mit einem bitteren Ton der Weisheit darüber belehren zu können, wie glücklich sie sich schätzen können...ja, genau wie ich mich in diesem Text verloren hab, verliere ich mich im Alltag.

Niemand haut mehr auf den Tisch und stellt die Dinge klar.

Alle ducken sie sich nur noch.

Und doch sitzen wir morgen früh vereinheitlicht und mehr oder weniger frisch gebügelt und gekämmt auf unserem Platz und seufzen, wenn die Zettel rumgereicht werden.
Die Schule ist wie der Kakao, den man sich bei uns für 50 Cent im Nordgebäude kaufen kann.
Trüb und geschmacklos.
So kommen wir nicht voran.
Liebes Schulsystem, ich bin eine Lilie.
Und meine Freunde sind Tulpen.
Bitte behandelt uns nicht wie Kakteen.

... wie auch immer. Muss jetzt aufhören, zu schreiben. Hab noch Mathehausaufgaben zu erledigen..